Hochflexibler Antriebsprüfstand einer Erntemaschine mit PXI-Real-Time und TestMaster

- Dr. Gerd Schmitz, S. E. A. Datentechnik GmbH

"Kernziel des Antriebsprüfstand ist es, Teile des mechanischen Antriebsstrangs einer Erntemaschine im Labor den reproduzierbaren mechanischen Belastungen wie im Feld auszusetzen."

- Dr. Gerd Schmitz, S. E. A. Datentechnik GmbH

The Challenge:

Der Beitrag stellt einen Entwicklungsprüfstand zur Prüfung mechanischer und hydraulischer Antriebskomponenten von Erntemaschinen vor. Die simulierten Belastungen werden auf der Basis von National Instruments‘ PXI-Hardware und Software umgesetzt.

The Solution:

Das realisierte Prüfstandskonzept erfüllt alle gestellten Anforderungen, mechanische Antriebe flexibel prüfen zu können. Die Benutzung der bereits vorhandenen Prüfstandsplattform TestMaster sparte bei der Umsetzung des Konzepts Entwicklungszeit, da die Steuerung lediglich an die spezifischen Anforderungen einer Erntemaschine angepasst werden musste.

Author(s):

Dr. Gerd Schmitz - S. E. A. Datentechnik GmbH
Dipl.-Ing. (FH) Stephan Titz - S. E. A. Datentechnik GmbH
M. Eng. Clemens Hortmann - CLAAS Selbstfahrende GmbH

Diese Kundenlösung wurde im Tagungsband 2015 des Technologie- und Anwenderkongresses „Virtuelle Instrumente in der Praxis“ veröffentlicht.

Eingesetzte Produkte: NI PXI, TestMaster, DIAdem

Die Abbildungen der Kundenlösung finden Sie in der Galerie und im Fließtext. In der Galerie können Sie die Bilder in größerer Auflösung ansehen.

 

 

Kurzfassung

Der Beitrag stellt einen Entwicklungsprüfstand zur Prüfung mechanischer und hydraulischer Antriebskomponenten von Erntemaschinen vor. Die simulierten Belastungen werden auf der Basis von National Instruments‘ PXI-Hardware und Software umgesetzt.

 

Externe Belastungskomponenten dienen zur Simulation realer oder synthetischer Belastungen für die zu prüfenden Antriebskomponenten.

 

Die Prüfstandssteuerung wurde von S.E.A. in enger Zusammenarbeit mit CLAAS realisiert. Wichtige Randbedingung bei der Konzeptionierung war eine möglichst weitgehende Verwendung kommerzieller (COTS)-Komponenten zur wirtschaftlich effektiven Umsetzung sowie die Erzielung einer sehr weitgehenden Flexibilität zur Verwendung mit einem weiten Einsatzbereich.

 

Die Ansteuerung des Dieselmotors wurde von CLAAS mit DIAdem programmiert. Für die Ansteuerung und Messtechnik des Prüfstands wird ein NI-PXI-System mit Echtzeitbetriebssystem verwendet.

 

Die Prüfstandsoftware basiert auf der S.E.A.-Prüfstandsautomatisierungsplattform TestMaster und TestMaster RT, die entsprechend spezieller CLAAS-Anforderungen von S.E.A. mit LabVIEW erweitert wurde. Die Echtzeitsoftware übernimmt die Kommunikation mit der Hardware, die Datenerfassung und Stimulation, sowie Echtzeit-Regelungsaufgaben und die Umsetzung von Lastkollektiven. Die Bedienung erfolgt über einen Windows-PC. Der Prüfstand kann manuell oder vollautomatisiert betrieben werden. Die Anpassung der messtechnischen Konfiguration und der automatisierten Abläufe erfolgt in einfachen TestMaster-Sequenzen selbstständig durch CLAAS.

 

Das umgesetzte Prüfstandkonzept erweist sich im täglichen Einsatz als überzeugendes Beispiel einer effektiven PXI- und TestMaster-Anwendung, die zuverlässig und sehr flexibel zur Erzielung der hohen Qualitätsansprüche des weltweit erfolgreichen Unternehmens CLAAS beiträgt.

 

Einleitung

Das Unternehmen CLAAS ist ein innovatives Unternehmen im Bereich von Land- und Erntemaschinen. Als führendes europäisches Unternehmen hat CLAAS einen sehr hohen Qualitätsanspruch an seine verwendeten Bauteile, die im Einsatz harten Bedingungen unterliegen.

 

In Zusammenarbeit mit S.E.A. wurde ein Antriebsprüfstand zur Untersuchung der mechanischen und hydraulischen Antriebe auf Festigkeit und Funktion erstellt. Kernziel des Antriebsprüfstand ist es, Teile des mechanischen Antriebsstrangs einer Erntemaschine im Labor den reproduzierbaren mechanischen Belastungen wie im Feld auszusetzen. Dafür werden in Feldversuchen Onlinemessdaten gesammelt, die dann am Prüfstand jederzeit unabhängig von realen Erntefenstern nachgefahren werden können. Die sich daraus ableitenden Anforderungen an die Steuerung können mit der Prüfstandssoftware TestMaster realisiert werden. Durch die automatisierten Prüfungen lassen sich zukünftig im Labor reproduzierbare Erntebelastungen darstellen.

 

 

Prüfstand

Auf dem Prüfstand können mechanische Antriebe und hydraulische Komponenten aller Erntemaschinen von CLAAS getestet werden. Der Prüfstand ist so flexibel aufgebaut, dass der Prüfling austauschbar ist. Die Belastungseinheiten sind für die Hauptkomponenten des jeweiligen Antriebsstrangs ausgelegt. Bei einem Mähdrescher werden die fünf wesentlichen Leistungsaggregate belastet (der Vorsatz, das Dreschwerk, die Hybrid-Rotoren, der Häcksler und der Korntank). Bei einem Feldhäcksler sind dies der Vorsatz, das Einzugsaggregat die Häckseltrommel, der Corn-Cracker und der Nachbeschleuniger. Als Antriebsaggregat wird am Prüfstand ein MAN-V12-Dieselmotor mit 650 kW verwendet, welcher mittels einer Gelenkwelle mit dem Antriebsstrang verbunden wird. Das folgende Schema zeigt den grundsätzlichen Aufbau des Prüfstands. Die Anzahl der Belastungseinheiten kann individuell auf den Prüfling angepasst werden.

 

Die Belastungseinheiten arbeiten alle nach einem hydraulischen Prinzip. Die Einheiten sind jeweils über eine Gelenkwelle mit dem Prüfling verbunden. Der angetriebene Hydraulikmotor arbeitet gegen ein Druckbegrenzungsventil, welches über ein Proportionalventil regelbar ist und belastet somit den Prüfling. In einem Kühler wird die Energie aus dem Prüfstand geleitet und das Hydrauliköl dem Hydraulikmotor neu zugeführt. Alle Einheiten lassen sich unabhängig voneinander über einen Softwareregler ansteuern. Die Belastungseinheiten sind flexibel positionierbar und können durch einfaches Wechseln der Riemengetriebe und Tauschen der Hydraulikmotoren in der Belastung variiert werden.

 

 

Systemübersicht

Zentraler Bestandteil des Prüfstands ist das NI-PXI-System mit Echtzeitbetriebssystem. Auf dem PXI-System laufen alle Informationen zusammen und werden verarbeitet. Die folgende Grafik gibt einen schematischen Überblick über den gesamten Prüfstand.

 

Wie in Bild 2 zu erkennen ist, übernimmt das PXI-System alle Steuerungs- und Messaufgaben, die mit dem Prüfling und den Belastungen zusammenhängen. Der über Ethernet verbundene Windows-PC dient als User Interface. Hierüber können alle Komponenten zentral bedient sowie manuelle und automatisierte Abläufe aufgerufen werden. Zusätzlich läuft auf dem Windows-PC auch die Dieselmotorsteuerung. Die Steuerung wurde in DIAdem DAC realisiert. DIAdem kommuniziert über eine CAN-BUS-Schnittstelle mit dem Steuergerät des Dieselmotors. Die Bedienung des Dieselmotors erfolgt über ein Steuerpult. Der Prüfstand ist über eine Sicherheitskette abgesichert. Nur bei Erfüllung aller Kriterien (Türschalter/Abgasabsaugung/NOT-AUS-Schalter …) wird eine Freigabe des Dieselmotors erteilt.

 

 

Software und Hardwareansteuerung

Als Prüfstandssoftware wurde das erprobte Softwareprodukt TestMaster von S.E.A. gewählt. Für den Prüfstand wird TestMaster unter Windows und TestMaster RT unter Echtzeit betrieben. Für den Benutzer erfolgt der transparente Zugang zu allen Systemkomponenten und Signalen ausschließlich über den Windows-TestMaster.

 

Bild 3 zeigt die bereits in TestMaster vorhandenen und die auf Kundenwunsch programmierten Funktionen.

 

Die Funktionsmodule und Gerätetreiber sind farblich unterteilt. Komponenten mit blauem Hintergrund sind Bestandteil des Produkts TestMaster und können flexibel durch Konfiguration an Projektanforderungen angepasst werden. Rot hinterlegte Komponenten stellen projektspezifische Erweiterungen dar, die von S.E.A. nach Kundenwunsch programmiert und implementiert wurden.

 

Die Ansteuerung sämtlicher Hardwaresignale, externer Software und der Software-PID-Regler erfolgt über die in TestMaster enthaltene Hardwareabstraktion. Diese ist über mehrere Rechner verteilbar und ermöglicht die systemweite Bereitstellung aller Signale für alle Funktionen wie Überwachung, Visualisierung und Bedienung, Regelung, Signalerzeugung, Datenlogging und automatisierte Abläufe. Durch einfache Konfiguration können zusätzliche Signale durch CLAAS eigenständig hinzugefügt oder umkonfiguriert werden.

 

Durch die remotefähige Hardwareabstraktion (TCP/IP) ist die Verwendung von Signalwerten und Gerätetreiberfunktionen nicht auf das lokale System beschränkt. Jede TestMaster-Instanz verfügt über die Möglichkeit, Signalwerte von verbundenen Instanzen abzufragen und Gerätetreiberfunktionen fernzusteuern. Systemspezifische Vorteile (z. B. Determinismus und Betriebssicherheit von LabVIEW-Real-Time-PXI-Systemen) lassen sich somit einfach und flexibel kombinieren.

 

 

Beispiel: Die als sogenannte Devices realisierten Regler werden in der Echtzeitumgebung ausgeführt und greifen über Signale auf die abstrahierte Hardware zu. Durch die TestMaster-Remotefähigkeit ist es möglich, die Regler komfortabel von einer TestMaster-Windows-Instanz aus zu konfigurieren und zu überwachen. Die Regler können auf alle im System vorhandenen Signale dynamisch angewendet werden und erlauben eine Umkonfiguration der Regelparameter und geregelten Signale im laufenden Betrieb.

 

Bild 4 zeigt die Standardansicht der Prüfstandsoftware während eines Prüflaufs.

 

Als Hauptbestandteil dient ein Bedienpanel, mit welchem alle wesentlichen Steuerungsfunktionen durchgeführt werden können. Zusätzlich werden Signalwerte in einer Übersicht grafisch sowie numerisch dargestellt. In einem weiteren Panel werden Grenzwertverletzungen dokumentiert und tabellarisch aufgeführt. Die Überwachung und Konfiguration der PID-Regelparameter erfolgt in einem separaten Panel.

 

 

Prüfabläufe

Die Vorbereitung des Prüfstands und die Ausführung aller Prüfläufe erfolgt nach einem vorgegebenen Schema. Dieses komplette Schema ist als benutzerkonfigurierbare Ablaufsequenz und Eingabemaske in TestMaster hinterlegt und wird vor jedem Test gestartet. Der Prüfstandsbediener durchläuft zur Vorbereitung der Prüflaufe diverse Abfragen zur interaktiven Konfiguration der Prüfung. Der eigentliche Prüflauf wird nach dem letzten Konfigurationsschritt automatisch ausgeführt. Das folgende Bild zeigt den Teststatus mit der beispielhaften Abfrage zur Messkonfiguration.

 

Nach der Auswahl des gewünschten Versuchstyps konfiguriert der Prüfstandsbediener den Prüfablauf. Nach der Einstellung der Messkonfiguration folgt die individuelle Anpassung der Versuchskonfiguration. Der Prüfstand kann daraufhin gestartet und manuell voreingestellt werden. Im letzten Schritt wird die vorher im TestMaster-Sequenzeditor YASE erstellte Sequenz geladen und automatisch ausgeführt, ohne dass der Benutzer in den Ablauf weiter eingreifen muss.

 

Zusammenfassung

Das realisierte Prüfstandskonzept erfüllt alle gestellten Anforderungen, mechanische Antriebe flexibel prüfen zu können. Die Benutzung der bereits vorhandenen Prüfstandsplattform TestMaster sparte bei der Realisierung des Konzepts Entwicklungszeit, da die Steuerung lediglich an die spezifischen Anforderungen einer Erntemaschine angepasst werden musste. Mithilfe der automatisierten und standardisierten Abläufe lassen sich die Prüfungen reproduzieren. Durch die Verwendung des PXI-Echtzeitsystems und TestMaster lassen sich die zukünftigen Erntebedingungen eines Mähdreschers am Prüfstand simulieren. Dadurch gewinnt CLAAS im Entwicklungsprozess wertvolle Zeit und Unabhängigkeit von Erntefenstern.

 

Author Information:

Dr. Gerd Schmitz
S. E. A. Datentechnik GmbH
Mülheimer Straße 7
Troisdorf 53840
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gerd.schmitz@sea-gmbh.com

Bild 1: Aufbau des Prüfstands
Bild 2: Schematische Darstellung des Prüfstands
Bild 3: TestMaster-Software-Schema
Bild 4: Prüfstandsautomatisierungsplattform TestMaster
Bild 5: TestMaster − Manual Test Step